Im Vergleich mit einer psychologischen Behandlung erwies sich der Therapieansatz der Traditionellen Chinesischen Medizin zur Regulation der Impulskontrollstörung bei internetsüchtigen jungen Erwachsenen als effektivere Maßnahme.
Die zunehmende Digitalisierung in den vergangenen Jahrzehnten hat unser Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Ein negativer Aspekt ist das Phänomen der Internet-Abhängigkeit, das sich in einem exzessiven Online-Verhalten insbesondere jüngerer Menschen äußert und zu Symptomen wie mentalen Störungen, Herzrasen, Vergesslichkeit, Schlafstörungen und Appetitmangel führen kann. Ob es sich um ein Sucht- oder Zwangsverhalten handelt, ist bei Experten noch umstritten. Bisherige Behandlungsansätze stützen sich zumeist auf psychologische Therapieverfahren. In der Traditionellen Chinesischen Medizin wird der mit einer Internetabhängigkeit verbundene Symptomenkomplex auf eine energetische Störung des Herz-, Milz- und Nierenmeridiansystems zurückgeführt.
An der Chengdu University of Traditional Chinese Medicine wurde nun in einer klinischen Studie einerseits die Wirksamkeit einer Elektroakupunktur-Behandlung von Internetsüchtigen im Vergleich zu einer kognitiven Verhaltenstherapie und andererseits der mögliche neurologische Wirkmechanismus dieser Behandlung untersucht [1]. 32 junge Erwachsene (Durchschnittsalter 21 Jahre) mit diagnostizierter Internetsucht wurden randomisiert der Akupunktur- bzw. der psychologischen Behandlung zugeteilt. Die Akupunkturgruppe erhielt zwei Behandlungsblöcke mit je zehn Behandlungseinheiten an jedem zweiten Tag. Genadelt und stimuliert wurden zehn Akupunkturpunkte: Baihui (GV20), Sishencong (EX-HN 1) und beidseitig Neiguan (PC 6), Hegu (LI 4), Taichong (LR 3) und Sanyinjiao (SP 6). Die Kognitive Verhaltenstherapie bestand sowohl aus Gruppen- als auch Einzeltherapiestunden. Auch sie wurde in zwei Behandlungsblöcken durchgeführt. Jeder Block bestand aus fünf zweistündigen Therapiesitzungen im Abstand von vier Tagen. Jeweils vor und nach dem insgesamt 45-tägigen Behandlungszeitraum wurden mittels Internet Addiction Test (IAT) und Barratt Impulsiveness Scale-11 (BIS-11) der Grad der Internetabhängigkeit sowie die Ausprägung des impulsiven Verhaltens erfasst. Darüber hinaus wurden magnetresonanzspektroskopische Aufnahmen des Gehirns jedes Teilnehmers erstellt, um die (Stoffwechsel-)Aktivität derjenigen Hirnregionen zu kontrollieren, für die in früheren Studien bei Internetsüchtigen Aktivitätsveränderungen festgestellt worden waren. Gemessen wurde das Verhältnis von Cholin bzw. N-Acetyl-Aspartat zu Creatin. Für diese neurologischen Messungen wurden zusätzlich einmalig 16 gesunde Probanden als Kontrollgruppe untersucht, die ebenfalls beide Fragebögen (IAT und BIS-11) beantworteten.
Das Suchtverhalten (IAT) der Patienten konnte durch beide Behandlungsverfahren drastisch verringert werden. Der Vergleich der Elektroakupunkturgruppe mit der Kontrollgruppe zeigte nach der Behandlungsphase keine signifikanten Unterschiede mehr, während die Werte der psychologischen Interventionsgruppe weiterhin signifikant höher lagen als in der Kontrollgruppe.
Auch hinsichtlich des BIS-11 Scores (Impulsivität) lagen die Messwerte nach der Elektroakupunkturbehandlung sowohl beim Gesamtwert als auch bei der Mehrzahl der Einzelwerte signifikant niedriger als vor der Behandlung und unterschieden sich kaum von den Werten der Kontrollgruppe. Mit der kognitiven Verhaltenstherapie wurden derart gute Verbesserungen nicht erreicht. Die Auswertung der magnetresonanzspektroskopischen Aufnahmen zeigte, dass durch die Elektroakupunkturbehandlung die (Stoffwechsel-)Aktivität relevanter Hirnstrukturen stark verändert wurde, während sie von der Kognitiven Verhaltenstherapie weniger beeinflusst wurde.
Einschätzung:
Mit insgesamt 48 rekrutierten Teilnehmern, von denen am Ende 45 ausgewertet werden konnten, ist die Probandenzahl in der vorgestellten Studie relativ gering. Dennoch scheint die Elektroakupunktur-Behandlung Internetsüchtiger ein vielversprechender Therapieansatz zu sein, der weiter verfolgt werden sollte, zumal es zu diesem Krankheitsbild einen hohen Forschungsbedarf gibt, der durch bisherige klinische Studien nicht gedeckt werden konnte [2]. Im Zuge der weiteren Digitalisierung unseres Alltags muss vermutlich mit einer Zunahme an Erkrankungen im Zusammenhang mit übermäßiger Internetnutzung gerechnet werden.
Quelle: https://www.carstens-stiftung.de/studien-kurz-und-knapp.html
Literatur
1) Yang Y, Chen XX, Zhang LM, Huang BJ, Zhu TM. Electro-acupuncture treatment for internet addiction: evidence of normalization of impulse control disorder in adolescents. Chin J Integr Med 2017; Abstract
2) Zajac K, Ginley MK, Chang R, Petry NM. Treatments for internet gaming disorder and internet addiction: a systematic review. Psychol Addict Behav 2017; Abstract